Balkontagebuch – Der Westbalkon im Juli

Der Juli hatte es in sich – allerdings nicht so, wie man es sich als Balkongärtnerin wünschen würde. Statt sonnenverwöhnter Hochsommerstimmung gab’s eine meteorologische Achterbahnfahrt: ein ständiger Wechsel zwischen fast herbstlich kühlen Tagen, plötzlichen Hitzespitzen und Gewitterstürmen, die nicht nur das Gießverhalten durcheinanderbrachten, sondern auch so manchen Balkonkasten an seine Belastungsgrenze brachten – wortwörtlich.
Während einige Pflanzen tapfer durchhielten, haben sich andere still und leise verabschiedet. Besonders jene, die mit wenig Licht und wechselhaften Bedingungen klarkommen sollten, zeigten, dass mein schattiger Westbalkon ein echter Härtetest ist. Erste Konsequenzen? Immer mehr einjährige Pflanzen ziehen ein – sie zeigen sich deutlich flexibler und blühfreudiger, zumindest auf meinem Stückchen Himmel zwischen Hauswand und Wetterseite.
Und wenn dann noch Krankheiten, Blattfraß und der ein oder andere windbedingte Absturz dazukommen, ist Frust leider vorprogrammiert. Aber: Mit dem Frust kommt auch der Trotz – und die ersten Ideen für die Herbstbepflanzung sind bereits in Planung. Denn auch wenn der Juli mehr Kampf als Genuss war: Aufgeben ist keine Option.
Achterbahnfahrt des Wetters
Der Juli präsentierte sich wettertechnisch sehr launisch: meist träge und eher kühl wie ein verfrühter Herbstbeginn, dann plötzlich tropisch mit Temperaturen jenseits der 30 Grad, gefolgt von der nächsten Abkühlung. Diese Achterbahnfahrt war nicht nur für mich als sommerliebende Balkongärtnerin nervenzehrend, sondern auch für die Pflanzen – besonders auf einem Westbalkon, der ohnehin mit besonderen Bedingungen zu kämpfen hat.
An manchen Tagen wähnte man sich wegen der hohen Temperaturen jenseits der 30 Grad und der hohen Luftfeuchtigkeit irgendwo in den Subtropen, nur um kurz darauf mit Pullover und Decke am Balkon zu sitzen, weil die Temperatur kaum über 20 Grad hinaus kam. Kein Rhythmus, keine Verlässlichkeit – weder beim Gießen noch bei der Pflanzenpflege. Diese Wetterkapriolen haben mir noch einmal deutlich gezeigt, wie stark Mikroklima und Standortbedingungen den Balkongarten beeinflussen – und dass ich künftig noch flexibler sein muss und mir keine Denkverbote auferlegen darf, wenn ich eine Saison mit halbwegs gleichmäßiger Blüte und gesunden Pflanzen erleben will.

Eine neue Pflanzstrategie muss her
So sehr ich meinen Westbalkon liebe – er ist kein einfacher Standort. Mein Balkon wird von einer ca. 1 Meter hohen Mauer umgeben anstatt eines Balkongeländers. Diese Mauer nimmt zum einen besonders am Boden viel Licht weg, sorgt aber vor allem auch für einen Hitzestau und behindert den Luftaustausch. Gerade für mehrjährige Blühpflanzen scheint diese Kombination eine Herausforderung zu sein. Für die, die die Hitze vertragen würden, ist es schlichtweg zu finster, und für die, die mit weniger Licht auskommen, ist es zu heiß. Viele der Stauden, die ich im Frühling mit viel Hoffnung gesetzt hatte, haben im Juli aufgegeben: manche schleichend, andere ganz plötzlich.
Aus den Ausfällen und der Not heraus, dass um diese Jahreszeit im Gartencenter kaum Stauden zu bekommen sind, wurde ein kleines Experiment: Ich begann, freie Plätze mit einjährigen Pflanzen zu besetzen – und siehe da, vieles wuchs auf Anhieb fröhlicher, schneller und bunter. Ob Fuchsien, Eisbegonien oder Edellieschen: Sie stellen keine großen Ansprüche, sondern geben einfach, was sie können – für eine Saison. Und: sie kommen mit dem Mikroklima auf meinem Balkon bedeutend besser klar.
Diese Beobachtung hat etwas in mir in Gang gesetzt. Vielleicht ist es an der Zeit, umzudenken und sich vom Gedanken zu lösen, dass einjährige Pflanzen „böse“ wären. Ja, mein Ziel war und ist es, meinen Balkon mit insektenfreundlichen Stauden zu begrünen, die ganzjährig für Blüten sorgen. Es sollte zu jedem Zeitpunkt, eine andere Staude blühen. Jetzt ist es aber aktuell im Juli so gewesen, dass eigentlich relativ wenig geblüht hat, eben weil die, die blühen hätten sollen, ausgefallen sind. Und auch wenn Fuchsien & Co relativ wenig zu bieten haben für Insekten, leere Töpfe oder nur grüne Blätter bieten halt auch keine Pollen. Fuchsien, Eisbegonie und Edellieschen geben aber wenigstens etwas Farbe fürs Auge. Ich überlege jetzt also, 2026 vielleicht doch die eine oder andere einjährige Staude (zusammen mit insektenfreundlichen mehrjährigen Stauden) auf meinem Balkon zu pflanzen um ganzjährig mehr Blüten am Balkon zu haben.

Der große Absturz – und die Sache mit der Frustration
Manche Momente sind wie ein Sinnbild für eine ganze Gartensaison. In meinem Fall war es der Moment, als Ende Juli ein kompletter Balkonkasten von der Mauer kippte und samt Inhalt kopfüber mit einem lauten Knall auf den Boden fiel. Eine plötzliche, vollkommen unerwartete Orkanböe, die aus dem Nichts kam, machte innerhalb einer Sekunde wochenlange Pflanzenpflege zunichte. Als wäre der Juli nicht schon Herausforderung genug gewesen…
Das Positive vorweg: die Pflanzen haben den Absturz überlebt, manche mit sichtbaren Blessuren, aber es sind mehrjährige Stauden, ich bin mir also ziemlich sicher, dass sie sich erholen und nächstes Jahr einen neuen Anlauf starten werden. Für heuer ist die Blühsaison für sie aber wohl vorbei, ist doch so ziemlich alles abgebrochen, was abbrechen konnte.
Es war aber nicht nur der materielle Schaden, der mich frustriert hat und mich zwischenzeitlich daran zweifeln lies, ob ich das Balkongärtnern weiter betreiben möchte – es war dieses Gefühl, ständig zu kämpfen: gegen das Wetter, gegen Schädlinge, gegen Krankheiten, gegen bauliche Gegebenheiten, gegen Nachbarn. Manchmal fühlt sich dieser Balkon weniger wie ein Ort der Erholung und mehr wie ein fortlaufender Überlebenstest für Mensch und Pflanze an. Irgendwas ist einfach immer…
Und trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – ist es auch ein Ort der Hingabe. Denn trotz allem pflanze ich nach. Trotz allem tüftle ich an verbesserten Balkonkastenhalterungen, versuche verletzte Pflanzen wieder aufzupäppeln, beobachte und lerne. Vielleicht ist das die paradoxe Wahrheit des Balkongärtnerns: Je mehr einem der Balkon abverlangt, desto stärker wird die Bindung zu ihm.

Schädlinge, Krankheiten & andere Balkonbiester
Als wäre die Wetter-Achterbahn und der Absturz nicht schon genug gewesen, schien im Juli auch die Tierwelt beschlossen zu haben, auf meinem Balkon ein bisschen extra präsent zu sein. Von Dickmaulrüsselkäfern über Raupen bis hin zu ungebetenen nächtlichen Schneckenpartys und Engerlingen: Es wurde geknabbert was das Zeug hielt. Manchmal hatte ich den Eindruck, als wäre mein Balkon ein All-you-can-eat-Buffet.
Während manches recht einfach zu diagnostizieren war, wie zB der Ziersalbei, der einigen Raupen besonders gut schmeckte, zeigten andere Pflanzen plötzlich Symptome, die sich nicht ganz so eindeutig zuordnen ließen: vertrocknende Blätter hier, braune Flecken dort, ein allgemeines „Ich mag nicht mehr“-Gefühl bei mehreren Stauden. Und natürlich stellt man sich irgendwann die Frage: War es ein Pilz? Zu viel Nässe? Zu trocken? Zu viel Sonne? Oder doch nur das Ergebnis monatelanger Stressfaktoren, die sich jetzt einfach rächen?
Aber auch hier gilt: Ich lerne mit jeder Krise. Ich erkenne schneller, wann ich eingreifen muss – und wann ich besser einfach loslasse. Denn manchmal ist ein radikaler Rückschnitt oder das komplette Entfernen einer Pflanze, die einfach mit dem Standort überfordert ist, die ehrlichste Form der Fürsorge.

Erste Gedanken zur Herbstbepflanzung
So frustrierend der Juli auch war – in mir beginnt langsam, ganz leise, der Herbst zu flüstern. Vielleicht, weil das Wetter diesen Juli mich eher an Herbst erinnert als an Hochsommer. Vielleicht, weil mein Balkon und ich selbst nach dieser fordernden Saison einen versöhnlichen Ausklang verdient haben. Vielleicht aber auch, weil ich den Gedanken liebe, mit Farben und Texturen eine neue Stimmung zu zaubern – diesmal ohne Erwartungen, aber mit viel Gefühl.
Ein paar Ideen schwirren schon durch meinen Kopf, wie ich auch im Herbst und darüber hinaus mehr Farbe auf den Balkon bringen kann. Wichtig ist mir vor allem: robust soll es sein. Und ehrlich. Ich möchte keine Diva-Pflanzen mehr, die wochenlang gepflegt werden wollen und dann doch beleidigt das Zeitliche segnen. Mein Balkon verdient Pflanzen, die mit ihm leben wollen – nicht gegen ihn. Die Liste wächst langsam – auf Papier und in Gedanken. Und mit ihr auch die Hoffnung, dass der Spätsommer mir und dem Balkon noch ein paar goldene Wochen schenkt. Diesmal vielleicht ohne Abstürze. Ohne Drama. Einfach nur mit ein bisschen Frieden zwischen Topf, Pflanze und Mensch.

Der Juli war anstrengend. Nicht nur für die Pflanzen, sondern auch für mich. Er hat mich zweifeln lassen – an meinen Entscheidungen, an meinem Standort, manchmal sogar an meinem grünen Daumen. Wenn man sieht, wie viel Arbeit im wahrsten Sinne des Wortes den Balkon runtergeht, fällt es schwer, optimistisch zu bleiben.
Und doch: Irgendetwas in mir bleibt stur. Vielleicht ist es Liebe, vielleicht Trotz, vielleicht einfach das tiefe Bedürfnis, diesem kleinen Stück Freiheit Leben einzuhauchen – immer wieder, jedes Jahr aufs Neue.
Ich werde weiter ausprobieren, weiter umtopfen, weiter beobachten. Und ich werde weiter darüber schreiben – weil dieser Balkon, mit all seinen Macken und Wundern, eben auch ein Teil von mir ist.
Der nächste Monat kommt bestimmt. Und mit ihm – hoffentlich – ein bisschen Ruhe, ein bisschen Blüte und vielleicht sogar ein kleines blühendes Happy End.